Klassik hautnah – FAUST in Schwetzingen

Am 22. März besuchten 60 Schülerinnen der Oberstufe das Theater am Puls in Schwetzingen. Gespielt wurde Goethes „Faust“. Ein Bericht von Wiltrud Ziegler und Marcus Deuchler

Die „Bildungsferne“ der „heutigen Jugend“, die sich nur für YouTube, Netflix, Instagram oder Snapchat interessiert, ist ein gängiges Vorurteil, das die Erwachsenenwelt pflegt. Nie und nimmer käme man auf die Idee, dass 60 Jugendliche freiwillig an einem Freitagabend, und das auch noch an einem verlängerten freien Wochenende, sich in ein Theater begeben, um einen alten Klassiker anzuschauen, nämlich Goethes „Faust“.

Die Idee zum gemeinsamen Faustbesuch im Theater am Puls in Schwetzingen wurde im LK12 Deutsch geboren. Anna hatte die Idee, der Rest war Feuer und Flamme. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht in der Oberstufe. Innerhalb einer Woche erklärten 60 junge Damen, sie wollten auch eine Eintrittskarte. 95 Plätze hat der Zuschauerraum! 

Drei Stunden dauerte das Spiel vom Wirken des Bösen, von der Verführbarkeit des Menschen. „Verstörend“ kommentierte eine Schülerin die Szenen auf der kleinen Drehbühne. Denn was die Sprache der Hölle ist, wurde hier überdeutlich und schockierend demonstriert. Diesem Höllenszenarium hatte ein Gretchen nichts entgegenzusetzen. Und so ist es konsequent, dass Faust ihr in der Kerkerszene ein letztes Mal die Luft zum Atmen nimmt und sie tötet. Konsequent ist es auch, dass die Schauspieler ihre Rollen tauschen: Wenn Faust sein höllisches Spiel treibt, übernimmt Mephisto seine Rolle.

Langweilig wird es den Zuschauerinnen und Zuschauern nie, obwohl – oder auch gerade weil die Protagonisten im sprachgewaltigen Faust’schen O-Ton sprechen, der in krasse Bilder umgesetzt ist. Ein Beamer lässt in der Erdgeistszene die Elemente toben, in der Hexenküche brodelt der Hexenkessel. Sternenhimmel und Berggipfel zwingen Faust noch einmal zum Nachdenken, bevor er Gretchen endgültig zerstört. Die musikalische Gestaltung vieler Texte lässt intuitiv verstehen: Man rappt sich durch „Vom Eise befreit“, rockt in der Walpurgisnacht mit einer Teufelsband und fühlt mit Gretchen in Liebesglück und Liebesnot. Minimal-geniale Requisiten erschaffen die Bühnenrealität.

Das Publikum wird immer wieder in das Spiel einbezogen, denn die Protagonisten springen ab und an aus ihren Rollen heraus, reden deutsch und deutlich, beziehen Zuschauer und Zuschauerinnen ein und spielen außerhalb des Bühnenraums. „Neben mir sitzt Mephisto!“, merkte Sophia in der Pause zwischen der Gelehrten- und der Gretchentragödie an. Das Geschehen wirkte phasenweise so real, dass Schülerinnen fragten, ist das jetzt „gespielt?“

FAUST – eine Theatererfahrung, die sicher zu Diskussionen anregt. Der Regisseur hat angeboten, zu einem Gespräch in die Schule zu kommen.


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